Eine Frau steht ihren Mann: Von der Sekretärin zur Dachdeckerin
Der Berufsweg von Susanne Mrotzek ist ungewöhnlich. Die ausgebildete Wirtschaftsinformatikerin ist selbständig mit einem Unternehmen für IT und Onlinegestaltung. Bis sie im Sommer 2020 die Dachdeckerfirma Olaf Bryx kennenlernte. Von Betrieb und Handwerk begeistert, bewarb sich die damals 40-Jährige als Sekretärin und ist seitdem gemeinsam mit Kollegin Marianne Reich für Buchhaltung, Angebotserstellung und Büroarbeiten im Dachdeckerunternehmen verantwortlich. „Die Umstellung war schon enorm“, erinnert sich Susanne Mrotzek. „Vom reinen Schreibtisch-Job in ein Familienunternehmen zu wechseln und dort alle Stufen von der Anfrage bis zur Arbeit am Objekt zu begleiten war für mich absolutes Neuland.“
Neuland, in dem sie sich wohlfühlt. Schon nach kurzer Zeit erkannte Firmenchef Olaf Bryx das Talent der neuen Mitarbeiterin: „Sie hat unglaublich viel gefragt und wollte alle Arbeitsschritte verstehen.“ Aus Interesse wurde Begeisterung, und so dauerte es nicht lange bis Susanne Mrotzek auch auf Baustellen begann, Hand anzulegen. Nach ersten Versuchen mit verschiedenen Materialen wie Holz und Schiefer zu arbeiten schlug Olaf Bryx vor, es doch mal mit Metall zu versuchen. Arne Reißner, Dachklempner-Geselle im Unternehmen, zeigte Susanne Mrotzek, was mit welchem Material möglich ist. Ebenso wie der Chef animierte Arne Reißner die Kollegin, ihr Interesse in einen Handwerksberuf umzuwandeln. „Aus einem Stück Blech etwas zu formen, was dann passgenau am Dach oder an der Fassade angebracht wird, macht schon stolz,“ berichtet die Susanne Mrotzek. Seit mittlerweile zwei Jahren absolviert sie die handwerkliche Ausbildung zur Dachdeckerin, das große Ziel ist der Meisterbrief. Damit trifft sie eine absolute Marktlücke, waren im Jahr 2017 doch gerade mal 20 Prozent der Handwerker weiblich, in der Baubranche nur magere 10 Prozent. „Da ist viel Luft nach oben“, berichtet Firmeninhaber Olaf Bryx. „Dabei sind Frauen handwerklich genau so geschickt wie Männer, arbeiten oft sogar genauer und umsichtiger.“
Fachgerechte Verlegung will gelernt sein
Neben dem Theorieteil der beruflichen Ausbildung bildet sich Susanne Mrotzek derzeit in zahlreichen Praxiskursen weiter. Einem Grundkurs im Schiefern folgten nicht weniger als sieben praktische Kurse in der PREFA Academy. Warum Aluminium? „Weil es sich einfach gut bearbeiten lässt. Im Vergleich der Metalle könnte man sagen: Zink ist was für Männer, Aluminium für Frauen“, stellt Susanne Mrotzek fest. Wobei das Aluminium vor allem (noch) beim männlichen Geschlecht hoch im Kurs steht, wie die Teilnehmerzusammensetzung in der PREFA Academy zeigt. „Im Stehfalz-Kurs haben wir zunächst Modelle aus Papier gebastelt, die wir anschließend aus Aluminium an den Dachmodellen nachgebaut haben,“ erläutert die Jung-Dachdeckerin ein Detail der Academy-Kurse. Um die PREFA Produkte fachgerecht an Dach und Fassade anzubringen, sind die Praxiskurse unerlässlich. Wenn auch das Flächen verlegen einfach und schnell von der Hand geht, ist unter anderem bei Anschlüssen an Fenstern und Schornsteinen Fachwissen gefragt, damit Dach und Fassade letztendlich wind- und wetterfest sind. Dieses Fachwissen vermitteln die PREFA Lehrverleger in Academy-Kursen an mittlerweile vier festen Schulungsstandorten in Deutschland.
Dass sie die einzige Frau in den praktischen Kursen ist, hat Susanne Mrotzek verwundert. „Dass die Dachdeckerei oder Klempnerei nur was für Männer ist, finde ich ganz und gar nicht“, fasst sie ihre Erfahrungen zusammen. „Sowohl die Kollegen im Betrieb als auch die anderen Kursteilnehmer haben mich gut aufgenommen und mir oft Hilfe angeboten. Ich sehe es eher als Vorteil, wenn Männer und Frauen zusammen in einer vermeintlichen Männerdomäne arbeiten: Frauen gehen anders an ein Objekt ran als Männer, und verschiedene Sichtweisen führen oft zu einem besseren Ergebnis.“ Mit viel Liebe zum Detail stellte Susanne Mrotzek in den letzten Wochen ihre ersten eigenen Mauerabdeckungen und Kamineinfassungen her. Die Modelle aus den Praxiskursen nimmt sie mit nach Hause. „Damit die Kollegen in der Firma sehen, was mit Metall möglich ist,“ schmunzelt die engagierte Allrounderin. Einzig die Werkzeuge wie Blechschere und Falzzangen sind für kleinere Frauenhände eine echte Herausforderung. „Hier lohnt sich eine Investition in das passende Werkzeug für kleinere Hände“, wünscht sich Susanne Mrotzek.
Jeder der zwölf Mitarbeiter im Unternehmen Olaf Bryx hat seine Vorlieben und Stärken. Die Firma, ansässig in Krakow am See, bietet Dach- und Fassadengestaltung aus einem Guss an. „Die Eindeckung mit Metall hat eindeutig ihre Vorteile – der Anschaffungspreis amortisiert sich durch die Langlebigkeit und Wartungsfreiheit,“ weiß der 54-Jährige Firmenchef aus Erfahrung. Die Qualifizierung von Susanne Mrotzek sieht er als ideale Ergänzung in seinem Betrieb. „Mit ihrer Begeisterung steckt sie die Kollegen an. Wenn sie ihr neu erworbenes Fachwissen weitergibt, profitiert die ganze Firma davon und letztlich auch die Endkunden, denn man verkauft Produkte besser, je mehr man von ihnen überzeugt ist.“
Eine Vision für die Zukunft
Über mangelnde Aufträge kann sich Olaf Bryx wahrlich nicht beklagen. Die Auftragsbücher sind schon Monate im Voraus gut gefüllt. Für Kunden bedeutet das oft lange Wartezeiten bis ihr Bauvorhaben zur Ausführung kommt. Auch als Partner der PREFA Angebotsplattform bekommt Olaf Bryx zahlreiche Anfragen. „Qualität spricht sich rum, braucht aber auch ihre Zeit“, begründet der Handwerker die oftmals lange Wartezeit für Endkunden. „Ich kann verstehen, dass Kunden lange für ihre Bauvorhaben sparen und sie dann gern schnell umgesetzt wissen möchten. Doch gute Handwerksfirmen sind derzeit gefragt wie nie, und wenn man Qualität liefern will, muss man schon einige Gedanken und Know-how investieren. Die Arbeit auf der Baustelle ist am Ende nur die Krönung der vielen Schritte, die vorab passieren.“
Gerne würde Olaf Bryx sein Team verstärken und Dachdeckergesellen ausbilden, doch die Nachfrage nach handwerklicher Ausbildung ist nicht nur in Krakow am See recht gering. Um auf den Ausbildungsberuf Dachdecker aufmerksam zu machen, sucht Olaf Bryx Kooperationen mit örtlichen Schulen. Auch hier kommt der Werkstoff Aluminium gelegen, da er sich leicht bearbeiten lässt. In seiner Werkhalle befinden sich Dachmodelle, an denen interessierte Schüler ihr handwerkliches Geschick testen können. „Den Schülern verschiedene Materialen zeigen und kleine Werkstücke selbst herstellen, so etwas können weiterführende Schulen nicht bieten. Theoretische und praktische Kenntnisse an Modellen vermitteln und kleine Werkstücke herstellen“, erläutert Olaf Bryx seinen Plan, in naher Zukunft Schnuppertage für Schüler und Jugendliche anzubieten. Mit Susanne Mrotzek hat er auch bei diesem Vorhaben ein Ass im Ärmel. „Eine Frau im Handwerk hat auf Schüler, insbesondere auf Mädchen eine Vorbildfunktion. Wenn sie sehen, was sie selbst herstellen können, weckt es hoffentlich die Begeisterung für diesen schönen Beruf.“ Olaf Bryx‘ Wunsch wäre es, dass Susanne Mrotzek ihm nicht nur langfristig als Sekretärin erhalten bleibt, sondern mit dem Dachklempner Arne Reißner gemeinsam als Geschäftspartner in die Firma einsteigen.