Durchbrochene Hülle? In Kurtatsch an der Südtiroler Weinstraße (IT) imponiert ein matt-schwarzer Industriebau an der Etsch – und zwar mit einer Architektur, die verrät, was in ihr steckt und sich auf ihre natürliche Umgebung bezieht. Damit haben auch gezielte Einschnitte in die Fassade zu tun.
Berührungspunkte
In einem Gewerbegebiet inmitten von Weingärten treffen wir PREFARENZEN Architekt Lukas Burgauner für ein Gespräch über das von ihm geplante zentrale Hochregallager von Rothoblaas, einem international erfolgreichen Unternehmen, das sich vorwiegend auf die Entwicklung und Produktion von innovativen, praxisorientierten Verbindungssystemen, Werkzeugen und Materialien für den Ingenieurholzbau spezialisiert. Damit wird die Arbeit von Zimmerern auf Baustellen wie jener des eigenen 23 m hohen vollautomatisierten Hochregallagers mit 22.000 Palettenstellplätzen erleichtert und beschleunigt.
Es ist nicht der erste Berührungspunkt zwischen Burgauner und dem Bauherrn Robert Blaas: Der Südtiroler Architekt arbeitet seit der Errichtung dieses Standorts im Jahr 2003 für das Unternehmen und begleitet bis heute alle durch die Expansion notwendigen Um- und Zubauten von Büro- und Lagerflächen. „Derzeit erweitern wir im ehemaligen Hochlager, wo wir auf einer Fläche von 1400 m² eine Geschossdecke integrieren, für zusätzliche 80 Büro-Arbeitsplätze“, erzählt er begeistert.
Nachhaltig – selbstverständlich
Für Architekt und Bauherr war neben einem stilvollen Design, welches die Firmenidentität verkörpert, auch das Thema Nachhaltigkeit zentral. „In den nächsten Jahren soll unser Firmensitz CO₂-neutral werden, das betrifft zum Beispiel Wärmepumpe, Sonnenenergie und Photovoltaik“, lässt CEO Robert Blaas durchblicken. Er verantwortet die Marketingaktivitäten der Firma, betreut auch Afrika und den Nahen Osten. „Wir sind mit 25 Tochtergesellschaften in 60 Ländern präsent und setzen auf eine schnelle Entscheidungsfindung sowie kurze Wege. Bei unserer Erweiterung hier in Kurtatsch haben wir auf Verarbeiter zurückgegriffen, die zu unserem Kundenstock zählen.“ Mit seiner Langlebigkeit passe auch das recyclingfähige Aluminium zur umweltfreundlichen Firmenphilosophie.
Über den Zweck hinaus
Der Punkt wurde schließlich erreicht, an dem der Bau – der als Zentrallager für alle Tochtergesellschaften dient – erweitert werden musste, um eine größere Kapazität für Palettenstellplätze zu erreichen. Zweck und Nutzen standen hier planerisch eindeutig im Vordergrund, betont Robert Blaas. Doch mit der durchbrochenen, rhomboiden Aluminiumhülle und der Holzfassade mit leichten Vertiefungen zeigt Lukas Burgauner, dass zweckmäßiges Bauen nicht automatisch spannende, auffällige Architektur ausschließen muss. Eine Besonderheit: Da das Unternehmen im Holzbau tätig ist, zählte es auf Bauherrenseite zu den Voraussetzungen, dass das Hochregallager ebenfalls ausschließlich mit Holz gebaut wurde. Die Holzfassade, die neben der Hülle aus Aluminium teilweise nach außen hin sichtbar ist, verweist auf die gelagerten Lösungen für den Holzbau im Inneren. Das Material ist hier also eindeutig Programm.
Aufgrund der resultierenden Verwitterung wäre es auf lange Sicht jedoch mit hohen Kosten verbunden gewesen, die gesamte Hülle in Holz auszuführen. Daher fand der Architekt mit der Raute von PREFA eine ideale Fassadenlösung: „Wir haben PREFA hier eingesetzt, weil es uns sehr gut in unser Designkonzept passt. Hinzu kommt, dass sich das Material dank der schnellen Montage und der Möglichkeit, es großflächig zu verlegen, ideal für Industriefassaden wie diese eignet“, erzählt Burgauner.
Idee im Berg
Beim Betrachten der ca. 5000 m² umfassenden Fassade staunt man unwillkürlich über Größenverhältnisse und die Rolle, welche die umliegende Gebirgslandschaft für ihr Erscheinungsbild spielt. Das ursprüngliche Bauvolumen von 72.000 m³ wurde um 75.000 m³ erweitert und somit praktisch verdoppelt. Aufgelockert wird dieses Volumen durch das spezielle Design der Fassade, die mit unregelmäßigen Durchbrüchen rhythmisiert ist.
Die „Schlitze“ wurden auch deshalb gesetzt, weil sie bereits in der Fassade der zweiten und dritten Erweiterung der Firmenzentrale zu finden sind. Sie ermöglichen einen vermeintlichen ‚Blick ins Innere‘ und wurden von der Natur inspiriert: „Die Kar, die man hier im Hintergrund sieht, war die Initialzündung für diese Gestaltungsidee“, so Burgauner. Und tatsächlich, bei einer direkten Gegenüberstellung der Firmenzentrale mit den umliegenden Gebirgszügen im Osten und Westen lassen sich farbliche Überschneidungen erkennen: das Schwarz des Aluminiums im dunklen Wald, die strukturierte Holzfläche im Gestein. Es liegt scheinbar in der Natur des Architekten, auf die umliegende Berglandschaft Bezug zu nehmen – davon zeugt auch seine Talstation der Umlaufbahn Seiser Alm, die auf dem Cover des PREFARENZEN Buchs 2017 abgebildet ist.
Es tut sich viel …
„Die Architektur in Südtirol hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten stark verändert: weg von der verspielten Bergsteigerarchitektur der Neunziger hin zu einer zeitgenössischen Formensprache, die durch eine neue Generation von Architekten und neue Materialien ermöglicht wird.“ Lukas Burgauners Büro widmet sich vornehmlich dem Umbau und der Erweiterung von Firmengebäuden. Aktuell plant das Team zwei Mobilitätszentren, eines davon in Brixen, eines in Bruneck, sowie das Logistikgebäude eines Getränkegroßhändlers. Dem Architekten gefällt es, dass sich einige Firmen mit der Zeit ein größeres Bewusstsein für Architektur angeeignet haben: „Viele von ihnen haben mittlerweile erkannt, dass ausdrucksstarke Gebäude mit Wiedererkennungswert ihre Corporate Identity vermitteln können, und zwar nachhaltig. Denn zeitgemäße Architektur spiegelt auch die Firma selbst wider.“
Rothoblaas Erweiterung - Details
Land: |
Italien |
Objekt, Ort: |
Industriebau, Kurtatsch |
Kategorie: |
Erweiterung |
Architektur: |
Lukas Burgauner |
Verarbeiter: |
Trimont GmbH und Festi Lattonerie S.r.l. |
Material: |
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Farbe: |
P.10 Schwarz |
weitere Infos:
- Text & Interview: Anneliese Heinisch
- Fotos: © Croce & Wir
- Baustellenfotos: © Lukas Burgauner